Bolivien ist gekennzeichnet von einer Mischung aus zahlreichen Kulturen und Völkern. 60% der Bolivianer sind Ureinwohner. 2010 wurde das Land offiziell vom ersten Präsidenten mit indianischen Wurzeln zum "Vielvölkerstaat Bolivien" erklärt. Wie in kaum einem anderen amerikanischen Land leben hier uralte Indianertraditionen wie beispielsweise der Glauben an den Sonnengott weiter.
Die bekannteste unter den 38 anerkannten Ethnien ist die Bevölkerungsgruppe der Aymara, die 25% der Bolivianer ausmacht und zu der der Präsident Evo Morales gehört. Die Aymara bewohnen hauptsächlich das Andenhochland Altiplano auf 4000 m über dem Meeresspiegel. Heutigen Erkenntnissen zufolge sind die Aymara Nachkommen der Tiwanaku Hochkultur, die lange vor den Inka existierte.
Die Aymarakultur gilt als konservativ und zäh. Als eine der wenigen amerikansichen Bevölkerungsgruppen haben sie zuerst die Invasion der Inka und später die Kolonisation der Spanier überlebt.
Heute sprechen ca. 1,6 Millionen Menschen Aymara und pflegen uralte Traditionen. Die Kultur konnte erhalten werden, da sich die Aymara stets nach außen hin unterworfen haben, aber ins Geheim ihre Praktiken nie aufgaben. Erst seit der Präsidentschaft von Evo Morales können diese uralten Traditionen offen ausgelebt werden und Kinder lernen sogar in der Schule Aymara zu sprechen.
Das Volk der Aymara hat die genialen Erfindungen und das breite Wissen der Tiwanakukultur übernommen. Sie wissen das raue Klima im Andenhochland optimal auszunutzen. Eine große Rolle spielen dabei die Kartoffeln. 200 verschiedene Sorten sind im Altiplano bekannt. Um die kostbare Knolle haltbar zu machen, legen die Aymara ihre Kartoffeln in den frostigen Nächten aus und treten am Morgen das Eis ab. So trocknet die Kartoffel und verdirbt nicht.
Der Kalender der Aymara ist hochentwickelt und orientiert sich wie der Mayakalender an den Sternen. Vorgänge am Himmel und auch auf der Erde wurden beobachtet und interpretiert. Sonnwenden spielen deshalb eine entscheidende Rolle in der Aymarakultur und werden von wichtigen Zeremonien und Ritualen begleitet.
Der 21. Juni ist Tag der Wintersonnwende in Bolivien und gleichzeitig Neujahr für die Ayamara. Das Datum bezeichnet das Ende der Erntezeit und den Beginn des Anbaus in der Landwirtschaft.
Am Abend des 20. Juni ruft das Volk im ganzen Land die Weisen Yatiris und andinen Priester Amautas zusammen, die einen Zeremonietisch mit Cocablättern und Alkohol vorbereiten, um der Mutter Erde Opfer darzubringen. Die ganze Nacht halten die Aymara Wache, um die ersten Sonnenstrahlen des neuen Jahres mit ausgestreckten Armen zu empfangen. Bei den Ruinen von Tiwanaku findet die Hauptzeremonie statt, bei der große Persönlichkeiten wie der Präsident nicht fehlen.
Nur eine Stunde von der Stadt La Paz entfernt stehen bis heute die beeindruckenden Überreste des Tempels des Tiwanakuvolkes. Wissenschaftler stehen bis lang vor einem großen Rätsel, kaum etwas ist bekannt über diese antike Hochkultur.
Am Tag der Sonnwende scheint die Sonne morgens genau durch ein riesiges Steintor, das sich deshalb Sonnentor nennt. Der Strahl zielt auf einen Monolit, den sog. "Ponce".
Nach dem Aufgang der Sonne bringen Priester erneut Opfer für die Sonne "Inti" und Mutter Erde Pachamama dar. Auf Opfertischen werden Lamas geschlachtet, da das Blut der Tiere Glück, Fruchtbarkeit der Erde und Erzeugung von Leben beim Sonnengott und der Mutter Erde erbitten soll. Den ganzen Tag lang wird daraufhin gefeiert, getrunken, gegessen und getanzt.